Adam & Eva (2): Damals, als noch nicht…

zurück zu Teil 1 der Serie „Adam & Eva“

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Der Beginn eines jedes Textes ist sehr wichtig und der Beginn unserer Erzählung von Adam & Eva ist natürlich ebenfalls sehr bewusst gewählt. Sicherlich kein Anfang, der uns heute geläufig ist. Aber einer, den es früher oft gab.

Unser Text beginnt mit vier Noch-Nicht-Sätzen:

und es gab das Gebüsch des Feldes noch nicht auf Erden
und das Kraut des Feldes wuchs noch nicht,
denn JAHWE Gott hatte es noch nicht auf der Erde regnen lassen
und der Mensch war noch nicht da, um die Erde zu bearbeiten,

Der Noch-Nicht-Stil ist typisch für altorientalische (und andere) Schöpfungserzählungen. Die berühmteste altorientalische Schöpfungserzählung, die Enuma Elish (die sehr viel älter ist als die biblische und jedem halbwegs gebildeten Menschen damals bekannt war) beginnt beispielsweise so:

Als oben der Himmel noch nicht existierte
und unten die Erde noch nicht entstanden war –
gab es Apsu, den ersten, ihren Erzeuger,
und Schöpferin Tiamat, die sie alle gebar; 
Sie hatten ihre Wasser miteinander vermischt,
ehe sich Weideland verband und Schilf zu finden war –
als noch keiner der Götter geformt oder entstanden war,
die Schicksale nicht bestimmt waren,

Apsu ist in dieser babylonischen Erzählung kein Gott, sondern der Salzwasserozean. Lange bevor die Götter erschaffen waren, wurde die Erde vom „Ersten“ geschaffen, dem Salzwasser und von Tiamat, dem Süßwasser. Die „vermischten ihr Wasser“ und erschufen die Götter (die hier gar nicht so transzendent sind, denn sie müssen ja aus den Elementen der Natur erschaffen werden). Man merkt auch, wie die Sexualität hineinspielt. Altorientalische Menschen dachten eben sehr anschaulich. Man konnte sich nicht vorstellen, wie etwas Neues ohne das Zusammenspiel von männlich und weiblich entstehen könnte.

Der Noch-Nicht-Stil ruft dem Leser oder Hörer ins Bewusstsein, was gut und schön ist, indem er ihm vor Augen führt, wie es ohne diese Dinge war. Ihre Abwesenheit wird als schmerzhaft empfunden: Wie schlimm war es, als es noch kein Weideland gab und als es noch keinen Schilf gab, also keine Sumpfgebiete, die für eine feuchte und fruchtbare Umgebung sorgten! Wie schlimm war es, als es noch kein Schicksal gab, als also alles unsicher war. Der Noch-Nicht-Stil will die Menschen zur Dankbarkeit bewegen.

Pflanzen & Regen

Weil es im Hebräischen aber keine abstrakten Begriffe gibt und deshalb auch nicht das Wort „Pflanze“, nutzt der Text wieder ein Hendiadyoin, also einen Doppelbegriff, um mit das Kostbarste zu beschreiben, dass es im alten Orient gab: Pflanzen. Selbst das heutige Israel besteht zu 70% aus Wüste, nämlich dem Negev. In Syrien und den anderen Staaten der Umgebung ist es ähnlich.

„Feld“ steht deshalb einfach für das kostbare Kulturland. Das Gebüsch des Feldes würden wir heute als das „Grün“ bezeichnen: die Bäume, das Gras, die Büsche. In einer chronisch wasserarmen Gegend steht das Grün für Wasser und damit für Leben.

Das „Kraut“ hingegen sind die Nutzpflanzen. Auch der Weinstock und der Granatapfel sind mit „Kraut“ gemeint. Kraut sind alle Pflanzen, die mir zur Nahrung dienen. Entscheidend ist die Essbarkeit. Am Ende der Erzählung heißt es denn auch: „Vom Kraut der Erde wirst du essen“.

Die Erzähler wollen dem Leser klar machen, wie öde die Welt war, als es noch keine Pflanzen gab, wie wichtig also die Pflanzenwelt um uns herum ist. Wir brauchen sie zum Leben. Daran sieht man auch, dass die Erzähler keine Beduinen sein konnten. Für diese war die Abwesenheit von Grün Alltag und gar nicht schrecklich. Deshalb würden sie auch nie mit dem Lob auf das Grün des Kulturlands eine Schöpfungserzählung beginnen. Wer so erzählt ist Kulturlandbewohner und will seinen Kulturlandmitbewohnern deutlich machen, dass sie dankbar sein können für eben dieses Kulturland.

Pflanzen waren zudem auch die Grundernährung. Die arme Bevölkerung des alten Orients bestand durchgehend aus Vegetariern. Nicht aus Überzeugung, sondern weil sie sich einfach kein Fleisch leisten konnten – außer zu hohen Festtagen. Pflanzen sind also auch absolute Lebensgrundlage.

Gott & Mensch

Und dann gehen die Erzähler weiter mit der Frage: Warum gab es früher denn noch kein Grüne und keine Nutzpflanzen? Die Antwort: Weil Gott es noch nicht hat regnen lassen. Regen ist das Schönste, was einem im Orient passieren kann – zumindest in der Regenkultur Palästinas. Wenn der Regen nicht oder nicht rechtzeitig kam, dann gab es Krisen und Dürre-Katastrophen. Ägypten war hingegen eine Flusskultur: Der Nil brauchte nur eine bestimmte Höhe und schon wurde durch Bewässerungssysteme alles mit Wasser versorgt. Ägypten war regenunabhängig. Die Schreiber dieser Zeilen aber nicht. Und der Regen kommt von Gott.

Übrigens liegt hier ein wichtiger Unterschied zur ersten Schöpfungserzählung: In dieser gibt es gar keinen Regen. Das Wasser ist vielmehr etwas Gefährliches, die Urflut, die gebändigt werden muss. Die Erzähler der ersten Schöpfungserzählung müssen also in einer Flusskultur wie in Mesopotamien gelebt haben.

Die grundlegende Eigenschaft, mit der Gott nun in dieser Erzählung eingeführt wird, ist die als der Geber guter Gaben. Das Gottesbild dieser Erzählung ist durch und durch positiv. Er ist derjenige, der uns das zur Verfügung stellt, was wir zum Leben brauchen.

Erstaunlich: Gleichzeitig wird hier auch der Mensch eingeführt, nämlich ebenfalls als der, der vorher noch nicht da war, um „die Erde zu bebauen“. Der Mensch und Gott werden in einem Atemzug genannt: Gott hat es noch nicht regnen lassen und der Mensch hat die Erde noch nicht gebaut. Der Mensch ist Mitarbeiter Gottes, es wird ihm hier eine hohe Wertschätzung entgegen gebracht. Nicht nur das Gottesbild der Erzählung ist positiv – auch das Menschenbild.

Und sofort geht es auch um den Sinn des Daseins des Menschen: „Mensch“ heißt auf Hebräisch „Adam“, die fruchtbare Erdschicht des Kulturlandes heißt „Adama“. Die soll er bearbeiten. Der Mensch hat also gemäß dieser Erzählung zwei Beziehungen: Die zu Gott, dem Geber guter Gaben, von denen der Mensch auch abhängig ist. Und die zur Adama, die er bearbeiten kann und soll. Das ist seine Berufung.

Selber gucken: „Wer ist der Mensch? Die Erschaffung des Menschen“ (Worthaus 3.1.1) ab Minute 36 bis Minute 57.

Nächster Teil: Der Mensch in drei kurzen Sätzen

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Kommentare

8 Kommentare auf "Adam & Eva (2): Damals, als noch nicht…"

  1. shasta-cor says:

    Hallo Rolf, es gefaellt mir diese Vergleiche (Flusskultur, Schoepfungsgeschichte etc) und die Beschreibungen zum Thema Kraut zu lesen. Es zeigt a) das einzigartige an unserem Glauben aber auch die Gemeinsamkeiten zur gesamten Menschheit. Ein Punkt, der in Zeiten von IS nicht zu unterschaetzen ist. Auch die Wertschaetzung Gott + Mensch ist ein schoener Ansatz. So langsam machst du mich neugierig auf den worthaus Link. 🙂

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  2. Harry says:

    Ich versuche mich in den Schreiber der Schöpfungsgeschichte zu versetzen.

    Offensichtlich hatte er einen Glauben an Gott. Er berichtet aus seinem damaligen Verständnis heraus.
    Er war sprachgebildet, aber eher kein Wissenschaftler. Er hat das beschrieben, was er sehen, erfassen und im Kopf verarbeiten und kombinieren konnte. Es handelt sich mMn um einen persönlichen Erfahrungsbericht, um eine eigene persönliche Sichtweise der Dinge.

    Ich möchte an dieser Stelle zu Paulus springen.

    1Kor 1,12 Ich meine aber dies, dass unter euch der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere: Ich zu Apollos, der Dritte: Ich zu Kephas, der Vierte: Ich zu Christus.

    Offensichtlich gab es hiernach innerhalb des NT ebenfalls unterschiedliche Ansichten zu bestimmten theologischen Themen. Das ist bis heute der legitime Fall.

    Es ist also normal, dass verschiedene Menschen mitunter ganz unterschiedliche Erfahrungen mit Gott machen. Die Bibel ist eine Bibliothek, in der von unterschiedlichen individuellen Erfahrungen mit Gott berichtet wird. Damit kann mMn wenig allgemeinverbindliche Historizität aus diesen unterschiedlichen Geschichten abgeleitet werden. Nach Paulus ist eine Einheit in Vielfalt unterschiedlicher Erfahrungen in Christus und seiner Liebe anzustreben. Wir leben heute wieder im Glauben und nicht im Schauen (2. Kor. 5,7),.

    Die Summe aller Berichte zeugt von der Existenz und Weisheit Gottes.

    Kol 3,14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.

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  3. Emma says:

    Schön geschrieben und tolle Fotos. Ich freue mich immer schon auf den nächsten Beitrag. Daumen hoch und weiter so!

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  4. Benni Kim says:

    Hab mir die Vorträge von Siggi Zimmer angehört und finde vieles ziemlich einleuchtend. Was mich allerdings beschäftigt ist, ob die neutestamentlichen Autoren die Urgeschichte ebenfalls poetisch aufgenommen haben oder Adam&Eva, Noah etc. als historische Personen angesehen haben (zumindest könnte man das vom Wortlaut her teilweise vermuten). Was denkt ihr dazu?

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    • Rolf Krüger says:

      Jesus & Co waren ja ebenfalls Orientalen. Auch das Geschichtsverständnis war zu ihrer Zeit noch anders als unser heutiges. Und sogar heute noch können wir uns auf literarische Figuren beziehen, ohne das extra kennzeichnen zu müssen. Jeder Hörer ordnet die Aussage dann automatisch ein und versteht, dass es um die inhaltliche Aussage geht. Zu könnte ein Journalist zum Beispiel sagen : „So wie Sysifus endlos an seiner Aufgabe scheiterte, so scheitert die Polizei an der Aufklärung des vorliegenden Falles.“ Kein Hörer würde auf die Idee kommen, dass der Journaliste die literarische Figur Sysifus für historisch hält, aber ebensowenig, dass er den aktuellen Fall der Polizei für nicht echt hält. Wir können beides gut kombinieren – warum sollten die NT-Autoren das nicht können?

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  5. Daniel Stein says:

    Liebe Herr Kruger, es freut mich sehr das sie o ein grosse eifer fur Gott haben, aber leider ich habe in ihre Vortrag keine beweise gesehen, mit beweise ich meine Bibelverse vo geschrieben steht die Erklarung fur eine oder andere Begrif. Beispiel: Sie haben gesagt Aber Jesus sagt und in 1Petr 1:24 steht namlich geschrieben D.H. Jesus ist der wahre Weinstock(Baum) und alle fleisch ist wie gras, dh die menschen sind wie gras… Sie wollen einfach mit menschliche verstand die wille Gottes erklaren Paulus hat gesagt in 1Kor2:13-14 Das heist min menschliche gedanken kan man nicht die Wille Gottes erklaren der alles aufgeschriben hat als Gleichnisse, Auch in Psalmen Gott hat gesagt Ps78:2 Ratsel aus der Vorzeit. Wie kann ein menschliche verstand es erklaren? Und Jesus washat er gemacht als er auf die Erde war? Er sagte in Mt13:34 Er redete alles in Gleichnisse, aber warum? Das ist die Frage. Und auch Jesus sagte auch in Johannes 15:26 Wenn der Zeit kommt wird Jesus zu uns alles offen verkundigen, dh nicht in gleichnisse und nicht in Bildreden. Zu bedeneken nehmen auch Johannes 14:26 und Offb 22:16.

    Und wenn sie richtig Glaubig sind dann die worte aus Offb 22:18-19 werden nicht ohne Sinn sein.

    Nur der Beistand den Jesus senden wird kann alles Geheimnise Gottes erklaren und belehren.

    Wenn ich noch sagen darf fur mich personlich alle pastoren sind wie in Jes29:9-13 gesagt ist, geworden.

    Ich wunsche Ihnen Gottes Segen.

    PS: Aber haben Sie sich gedanken gemacht was sind diese Segen?

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    • Rolf Krüger says:

      Hallo Herr Stein,

      leider ist es ziemlich schwer zu verstehen, was Sie sagen wollen. Aber ich würde folgendes antworten:

      1. Ja, ich glaube, Gott uns den Verstand nicht nur zur Dekoration gegeben.
      2. Nein, ich glaube nicht, dass es möglich und hilfreich ist, einfach Bibelverse aus dem Zusammenhang zu reißen und damit irgendwas zu belegen.
      3. Nein, ich finde es nicht angemessen, wenn Sie sagen, alle Pastoren sind verblendet (und vermutlich zählen Sie sich selbst nicht dazu).
      4. Die prophetische Warnung aus Offb. 22 bezieht sich übrigens auf „dieses Buch“. Das ist natürlich die Offenbarung. Die Bibel als Buch gab es damals noch nicht. Auf sie kann es sich nicht beziehen.

      Trotzdem schönen Tag Ihnen 🙂

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