Moltmann über die Emerging Church: Alte Sichtweise in neuer Gestalt

An diesem Wochenende findet in Berlin das Emergent-Forum 2013 statt (bei dem ich leider nicht dabei sein kann). Aber hier ein kleiner Gruß in die Hauptstadt: In der aktuellen Ausgabe des Magazins „3E – Echt. Engagiert. Evangelisch.“ gibt ein spannendes Interview mit dem großen Theologen Jürgen Moltmann. Mitten im Interview kommt er von selbst auf die Emerging Church zu sprechen:

[hr]

Moltmann: Das parochiale System hat sich in den Städten überlebt und läuft ins Leere, wenn die Leute alle fünf Jahre umziehen. Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass ein Pfarrer für meine religiösen Rituale zuständig ist, nur weil ich zufällig in der Straße wohne, die zu diesem Gemeindebezirk gehört. Die protestantischen Familientraditionen sind noch im württembergischen Oberkirchenrat zu erkennen, aber sonst kaum noch.

3E: Und auf dem Dorf?

Auf dem Norddeutschen Land habe ich dieses System als Pfarrer fünf Jahre geschätzt und gelebt. Auf den fünfzig Bauernhöfen waren Vieh und Menschen unter einem Dach. In den Häusern gab es immer einen besonderen Platz. Dort wurden die Kinder getauft, dort wurde verheiratet, und dort stand dann auch der Sarg. Als ich zum ersten Mal in ein Trauerhaus kam, sagten die Leute: Ja Herr Pfarrer, der Nachbar war schon da und hat Psalm 90 gelesen. Und die Nachbarin von links wusch die Leiche, die von rechts stifte das Totenhemd.

Diese Art von traditioneller christlicher Gemeinde hat auch ihren Wert. Kennen Sie in die Emerging Church Bewegung, denn diese greift diese alte Sichtweise in neuer Gestalt auf?

3E: Ja! In der Vorbereitung auf dieses Interview dachten wir: Ob Herr Moltmann wohl diese Bewegung kennt? Gerade auf ihre „Theologie der Hoffnung“, die sie vor vierzig Jahren geschrieben haben, wird in dieser Bewegung immer wieder verwiesen.

Ich habe eine Tagung dieser Bewegung in der Nähe von Chicago besucht. Deren Missio Dei-Ansatz, dass sich Gott zeigt als ein sendender und gesendeter Gott, halte ich für wesentlich. Gott selber sendet sich in die Welt hinein und so sind alle gesendet, dazu aufgerufen, über sich hinaus zu gehen und Reich Gottes zu verbreiten. An Deutschland scheint mir aber diese geistliche Bewegung, dieses neue Denken derzeit vorbei zu laufen.

3E: Woran könnte das liegen?

Wir in Deutschland leben in einer Kultur der Risikolosigkeit. Warum? Weil das Deutsche Reich und der Nationalsozialismus das größte Risiko war, welches die Deutschen jemals eingegangen sind. Nach solch einem Zusammenbruch kann man keine Risikofreudigkeit mehr erwarten. Das ist unmöglich. Millionen von Kriegstoten, zerstörte Städte, Millionen von Vertriebenen – da geht man kein Risiko mehr ein.

[hr]

So, da gibt’s was zu kauen. Das ganze Interview gibt’s in der aktuellen 3E-Ausgabe (4/13).

Und Mädels – vielleicht sollten wir Prof. Dr. Moltmann nächstes Jahr mal zum Emergent Forum als Referenten einladen? Das fände ich extrem spannend! Und würde dem Forum noch mal einen neuen Akzent geben.

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Kommentare

13 Kommentare auf "Moltmann über die Emerging Church: Alte Sichtweise in neuer Gestalt"

  1. Christian says:

    Moltmann zu Fragen, ob er die Emergenten kennt, ist ja schon fast kränkend 😉 Die kennt man doch inzwischen bis in die hinterste Provinz. Zumal einer seiner prominenten Schüler zu ihren größten Champions zählt: Miroslav Volf.

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  2. Christian says:

    ah, gut!
    „… über sich hinausgehen und Reich Gottes verbreiten“ … höre ich da Bloch: den über sich selbst hinausdenkenden Menschen, Bewusstseins-Überschuss für soziale, ökonomische und religiöse Utopien? Theologie der Hoffnung = Prinzip Hoffnung?

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  3. Spiritualität ist Balance – Emergent Forum 2013 | + mzungu's weblog + says:

    […] @rolfkrueger: Moltmann über die Emerging Church: Alte Sichtweise in neuer Gestalt […]

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  4. Rückblick: Emergent Forum 2013 « ein Augenblick says:

    […] Rolf  Krüger – Moltmann über die Emerging Church: Alte Sichtweise in neuer Gestalt (Rolf konnte zwar nicht vor Ort dabei sein, meldete sich aber trotzdem mit einem Vorschlag für das Forum 2014) […]

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  5. Peter Aschoff says:

    Ja, warum nicht Moltmann mal einladen? Zum Forum oder irgendeinem anderen Format.

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    • Christian says:

      Vielleicht bringt der Altmeister ja neues Licht ins Dunkel der Frage, wofür eine sühnelose Theologie noch das Kreuz braucht …

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      • Rolf Krüger says:

        Dazu brauchst du keinen Altmeister. Dazu musst du einfach mal im Neuen Testament die Stellen rund um „Kreuz“ oder Jesu „Sterben“ oder „Tod“ zusammenstellen, dann wirst du feststellen: Die biblischen Autoren kommen sehr gut ohne den Sühnebegriff aus, um das Kreuz zu deuten und tun es sehr fleissig. Lediglich an zwei Stellen – in Römer 3 und in Hebräer 2 wird der Begriff gebraucht (wobei in Römer 3 Christus aller Wahrscheinlichkeit nach als der Sühneort – nach dem Deckel der Bundeslade – bezeichnet wird, nicht als das Opfer). Das Kreuz ist Zentrum von Jesu Erlösungswerk – auch gut ohne den Sühnebegriff. Glaubst du nicht, dass das viel breitere Erwähnung finden müsste, wenn dieser Aspekt so zentral und exklusiv für die Bedeutung des Kreuzes wäre?

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        • Christian says:

          Ein wichtiger Text zum Verständnis dessen, was Christus für die Erlösung seines Volkes getan hat, ist Hebräer 9, insbesondere die Verse 23.28:

          „So mussten nun der himmlischen Dinge Vorbilder mit solchem gereinigt werden; aber sie selbst, die himmlischen, müssen bessere Opfer haben, denn jene waren. Denn Christus ist nicht eingegangen in das Heilige, so mit Händen gemacht ist (welches ist ein Gegenbild des wahrhaftigen), sondern in den Himmel selbst, nun zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für uns; auch nicht, daß er sich oftmals opfere, gleichwie der Hohepriester geht alle Jahre in das Heilige mit fremden Blut; sonst hätte er oft müssen leiden von Anfang der Welt her. Nun aber, am Ende der Welt, ist er einmal erschienen, durch sein eigen Opfer die Sünde aufzuheben. Und wie den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, darnach aber das Gericht: also ist auch Christus einmal geopfert, wegzunehmen vieler Sünden; zum andernmal wird er ohne Sünde erscheinen denen, die auf ihn warten, zur Seligkeit.“

          Die argumentative Kraft beruht auf zwei Aussagen: erstens, dass das „Opfer“ (V. 25) und das „Leiden“ (V.26) Christi untrennbar zusammenhängen. In und durch sein Leiden opferte sich Christus Gott, und zwar aus dem Grund, weil er selbst sowohl Priester als auch Opfer war. Aaron opferte wiederholt, litt jedoch dabei niemals selbst, denn nicht er selbst, sondern das Tier war das Opfer. Da Christus jedoch sowohl Priester, als auch Opfer war, konnte er nicht opfern, ohne selbst zu leiden. Hierin besteht im Prinzip die Kraft des Arguments. Die besondere Natur der Selbsthingabe, oder des Opfers Christi, die im Vergießen seines Blutes im Sterben bestand, schloss eine Wiederholung desselben aus.

          Zweitens baut die Argumentationskette des Apostels hier auf die Tatsache, dass eine Notwendigkeit für die Wiedergutmachung, oder Sühne der Sünde aller bestand, die von der Gründung der Welt an gerettet werden sollten.

          Ich kann jetzt hier aus räumlichen Gründen nicht den gesamten Text auslegen, weise aber noch auf einen Vergleich in den Versen 27-28 hin, und zwar zwischen dem Tod der Menschen durch Gottes Richterspruch und der Opferung Christi durch Gottes Bestimmung. „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben“. Dies war eine Strafe, ein Richterspruch und Fluch aufgrund des gebrochenen Gesetzes (1Mose 2,17), bestehend aus zwei Teilen: zeitlichem Tod und ewigem Gericht.

          „Also ist auch Christus einmal geopfert“ Ebenso wie das Todesurteil, als Strafe über alle Nachkommen Adams ausgesprochen war (Römer 5,20), die als Übertreter des Gesetzes in ihrem Bündnishaupt Adam als Übertreter oder Verbrecher angesehen wurden, so wurde auch Christus von Gott, dem Richter aller, „gesetzt“ oder verurteilt, sich stellvertretend für alle, die er repräsentierte, unter den Fluch des Gesetzes zu beugen: „…geopfert, wegzunehmen vieler Sünden.“
          Darin erkennen wir die Erlösung vom Fluch, die die Weisheit und Gnade Gottes für seine Auserwählten geschaffen hat.

          Viele Grüße und ein Frohes Neues Jahr, Christian

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          • Rolf Krüger says:

            Der Text ist mir bestens bekannt – hat allerdings nichts mit dem Thema zu tun. Da hilft es auch nicht, wenn du wie hier…

            >>Zweitens baut die Argumentationskette des Apostels hier auf die Tatsache, dass eine Notwendigkeit für die Wiedergutmachung, oder Sühne der Sünde aller bestand, die von der Gründung der Welt an gerettet werden sollten.<< ...etwas in den Text hinein liest, das dort nicht steht - auch nicht implizit. Diesem Text nimmst du damit zumindest nicht wirklich ernst. >>und zwar zwischen dem Tod der Menschen durch Gottes Richterspruch<< Da sehen wir ein typisches Problem dieser Form von Apologetik: Da schleicht sich heimlich eine Verknüpfung ein, die dem Text völlig fremd ist: Der Tod durch den Richterspruch? Nein. Erst der Tod, *dann* das Gericht. Also, so kommen wir nicht weiter 🙂 LG, Rolf

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            • Christian says:

              „… Verknüpfung, die dem Text völlig fremd ist“? (Rolf) Willst du uns wirklich erzählen, dass ein Hebräer bei diesem Text nicht an Genesis 3,19 denkt?

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              • Christian says:

                Es sei denn, du kannst glaubhaft nachweisen, dass die biblischen Autoren bei der Abfassung ihrer Schriften je ein Exemplar der „Kritik der reinen Vernunft“ und der „Phänomenologie des Geistes“ zur Hand hatten, bleibe ich geneigt, deine Version ihres Geschichtsverständnisses in Zweifel zu ziehen 😉

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                • Rolf Krüger says:

                  Wozu? Die Autoren der Bibel waren doch Bürger der Antike. Sie hatten nicht unser modernes Geschichtsverständnis. Sie sollten es so verstanden haben, wie man damals Literatur eben verstand.

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                  • Christian says:

                    Genau: Sowohl Jesus, als auch die Apostel behandeln den Schöpfungsbericht und die Frühgeschichte als historische Tatsachen (keine „frommen Fabeln“). Andernfalls hinge ein Großteil ihrer Argumentation in der Luft.

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