Gemeindemitgliedschaft: „Man ist doch auch nicht in zwei Fußballvereinen…“

Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einem Pärchen, das gerne in eine (freie) Gemeinde eintreten wollte. In dem Kurs zur Gemeindemitgliedschaft wurde den Interessierten deutlich gemacht, dass man sich möglichst zu 100% entscheiden sollte – das heißt bei einem Eintritt in die freie Gemeinde sei ein Austritt aus der Landeskirche nötig (außer wenn jemand die Mitgliedschaft für seinen Arbeitsplatz benötigt) .

Das Pärchen, das erst kürzlich hergezogen ist, will sich wirklich zu 100% in ihrer neuen Gemeinde engagieren. Auch den „Zehnten“ haben sie zugesagt. Aber gleichzeitig wollen die beiden ungern aus der Landeskirche austreten. Sie benötigen die Mitgliedschaft nicht für ihre Jobs. Aber sie wollen – so skurril das manche finden mögen – die Landeskirche trotzdem mit ihrer Kirchensteuer fördern. Das Paar profitiert vom evangelischen Kindergarten und findet auch viele andere Dinge dort gut, auch wenn sie an ihrem neuen Wohnort eben lieber in die freie Gemeinde gehen möchte, weil sie sich dort sehr wohl fühlen und sie zu ihnen passt.

Gefragt, ob eine Doppelmitgliedschaft denn wirklich ein Hindernis für ihre Mitgliedschaft darstellt, wurde dem Pärchen ein Vergleich genannt, den ich schon mehrfach zu diesem Thema gehört habe und der gerne als Argumentationshilfe benutzt wird: „Man ist doch auch nicht in zwei Fußballvereinen!“

Natürlich stimmt der Satz in sich, aber irgendetwas hat mich auch immer daran gestört, wenn er in diese Zusammenhang benutzt wird. In besagtem Gespräch ist mir dann endlich aufgegangen, was: Fußball ist Konkurrenz! (Eigentlich naheliegend…) Deshalb ist man nicht in zwei Fußballvereinen. Und das kann ich auch gut verstehen. Fußball lebt von (fairer) Gegnerschaft, vom zivilisierten, aber leidenschaftlichen Gegeneinander.

Wie kommen Christen eigentlich darauf, diesen Vergleich als Argumentation für das Verhältnis zwischen christlichen Gemeinden zu benutzen? Blitzt da etwa eine normalerweise gerne vornehm im Hintergrund belassene Haltung durch – nämlich dass man bei aller ökumenischer Zusammenarbeit und bei allem Engagement in der Gebetswoche oder bei ProChrist doch eigentlich ziemlich genau auf die Profilierung der eigenen „Marke“ achtet? Sei es die eines Gemeindebundes oder die einer einzelnen Gemeinde vor Ort?

Ich kann das gut verstehen. Es geht einerseits ganz schlicht ums Geld (das ist gar nicht verwerflich). Und anderseits weiß ich auch wie schwierig es ist, wenn Menschen sich nicht eindeutig zu einer Gemeinde zuordnen wollen und pendeln. Gehören sie wirklich zu uns? Welche Interna können wir mit ihnen teilen? Wie sicher können wir sein, dass sie im Zweifelsfall auch „für uns spielen“?

Ups, schon wieder Vokabeln der Abgrenzung: „Gehören“, „Interna“, „für uns“… Will Gott so sein Reich haben?

Die Kernfrage an alle Gemeinde jeglicher Couleur ist doch: Wie sehr sehen wir unsere Gemeinde, die Menschen darin, die „Erfolge“, das Geld, den Segen als uns anvertraute Geschenke? Die also einerseits uns nicht gehören, sondern die wir nur zur Verwaltung überlassen bekommen haben. Und die vor allem auch ziemlich flüchtig sind – nicht unsere eigene Arbeit und in gar keiner Weise garantiert.

Ich selbst merke, wie ich gerne ebenfalls in diese Denkmuster der Abgrenzung verfalle. Und wünsche mir doch um so mehr, dass wir sie alle endlich hinter uns lassen können. So dass wir nicht mehr gegeneinander spielen (so fair das auch immer sein mag). Sondern lieber miteinander spielen und kämpfen. In dem Vertrauen, dass der Trainer für uns alle genug Arbeit parat hat gegen die Ungerechtigkeit und Verzweiflung in dieser Welt.

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Kommentare

6 Kommentare auf "Gemeindemitgliedschaft: „Man ist doch auch nicht in zwei Fußballvereinen…“"

  1. Jason says:

    Feiner Beitrag, regt zum Nachdenken an…
    Gruß

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  2. Onkel Toby says:

    Solange Gemeinden glauben, eine „Mitgliedschaft“ würde irgendetwas aussagen, solange werden wir uns mindestens noch damit rumschlagen müssen.

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  3. Wolfram says:

    Ich bin schon qua Amt in zwei Gemeinden Mitglied…

    Hier in Frankreich wird keine strenge Kirchenmitgliedschaft praktiziert. Man kann allerdings in den Kirchverein eintreten, der quasi die legale Basis ist für alles, was Gemeindeleben ausmacht – diese Mitgliedschaft ist aber nicht verpflichtend, um am Gemeindeleben teilzunehmen. Nur, um den Gemeinderat zu wählen oder gewählt zu werden.
    Nichts spricht dagegen, mehreren Gemeinden der gleichen Kirche oder auch mehrerer Kirchen anzugehören, und das finde ich sehr gut. Denn die einzige Mitgliedschaft, die am Ende wirklich zählt, ist die zum Leib Christi. Und der ist weder ERF noch EELF noch EKiW noch EFG noch… sondern schlicht: „wer an mich glaubt“.

    Andererseits mag es manchmal schwierig sein, sich in mehreren Gemeinden zu engagieren; da gibt es möglicherweise Terminkonflikte, Meinungsdifferenzen, und daraus erwachsen Loyalitätskonflikte.
    Aber was die Gemeinde in deinem Text praktiziert, ist pharisäisch: einerseits will man die Trennung von den Landeskirchen akzentuieren, andererseits aber „ja, wenn Ihr Beruf davon abhängt“ – entweder ist die Landeskirche nicht christlich (genug), dann muß man trennen, aber ohne Wenn und Aber. Oder sie ist christlich (genug), dann ist eine Trennung nicht geboten. Sondern eher VER-boten.

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  4. Feuerstein says:

    Soviel ich weiß, besteht zwischen Landeskirche und freien Gemeinden ein Abkommen, dass keine doppelten Mitgliedschaften bestehen sollen, damit die Menschen sich entscheiden, was sie eigentlich wollen und welche ihre geistliche Heimat ist. Ein Katholik kann sicher auch nicht in der kath. und ev. Kirche Mitglied sein.

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  5. Ansgar Hoersting says:

    Das Wichtigste zuerst: wer zu Jesus gehört, der ist ein Teil seiner weltweiten und zeitlosen Gemeinde, ein Teil seines Leibes. Da gibt es nichts zu entscheiden. Es ist Gottes Entscheidung.
    Jede Kirchen/Gemeindemitgliedschaft kann nicht mehr sein, als das, was von Gott her Realität ist, durch menschliche Verbindlichkeit nachzuvollziehen. Ich wiederhole: nachzuvollziehen.
    Dass es so viele Kirchen / Denominationen etc. gibt, kann man bedauern. Man kann, je nach Blickwinkel, darin auch eine wunderbare Vielfalt und Verschiedenheit sehen.
    Es ist auf jeden Fall sinnvoll, wenn Kirchen und Gemeinden auf eine eindeutige Entscheidung drängen, wohin jemand gehört. Denn Verbindlichkeit, die zur Gemeinde Jesu gehört, entsteht nur durch Eindeutigkeit. Dabei geht es nicht um Abgrenzung, sondern um Klarheit. Zum Beispiel auch in der Frage: welcher Leiterschaft gestehe ich eigentlich zu, eine geistliche Autorität in meinem Leben zu haben.
    Der Vergleich mit einem Fußballverein ist gefährlich, weil die ganzen biblischen Grundlagen fehlen und es dann lediglich um menschliche Entscheidungen geht. Gemeinde ist dann eben nur noch „Vereinszugehörigkeit“ – ohne geistliche Wirklichkeit. Einen Fußballverein zu wechseln – oder in fünfen Mitglied zu sein – warum sollte ich das eigentlich nicht machen?

    Ich vermute, der Vergleich wurde deswegen gebraucht, weil vielen Menschen eine Doppelmitgliedschaft in Fußballvereinen undenkbar vorkommt. Das liegt daran, dass sie an ihren Verein total „hingegeben“ sind. Wieviel mehr – so der Rückschluss – sollte das in der Gemeinde der Fall sein. Dieser Gedanke hat eine gewissen Berechtigung. Er wird sicherlich nicht das einzige gewesen sein, was dazu gesagt wurde, nehme ich an.

    Mein Motto: ich möchte nich weniger und nicht mehr Geschwister haben, als Gott Kinder hat. Deswegen liebe ich – und will sie mehr und mehr entdecken – seine Kinder in allen Kirchen und Gemeinden. Und dann will ich zu Überzeugungen stehen, was die Lehre der Kirche angeht und meine Zugehörigkeit zum Leib Jesu in einer Gemeinde konkret leben. Denn Christsein gibt es nur konkret, alles andere ist frömmelnde Einbildung.

    Etwas technisches zum Schluss: Tatsächlich ist es eine Abmachung aller Kirchen und Denominationen, Doppelmitgliedschaften zu vermeiden. Ich kenne gute begründete Ausnahmen. Aber es sollten Ausnahmen bleiben.

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  6. Steinmeier Armin says:

    Es heißt zwar in der Bibel, dass man sich eine Gemeinde suchen soll, aber den Begriff „Mitgliedschaft“ finde ich deplaziert. Wir alle sind GLIEDER im Leib Christi. Ich fühle mich auch ohne eine explizite MIT-gliedschaft zugehörig. Den Argumenten im Buch von Wayne Mack, dem viele freien Gemeinden folgen, kann ich nicht zustimmen. Sie dienen doch nur einer gewollten Bindung, vielleicht auch wegen des ständig falsch gepredigten Zehnten geben, um die Gemeinde finanziell abzusichern.
    Wir aber sind zur FREIHEIT bestimmt, wie es treffend heißt.

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